Abschlussdiskussion: Eine lebenswerte Zukunft gestalten – wie geht das?

mit Lotta Klimmek (Sozialistisch-demokratischer Studierendenverband und Die Linke Braunschweig), Emilie Knapheide (Fridays for Future Braunschweig), Paul Mărginean (ver.di-Jugend Braunschweig) und Clara Sommer (Die Falken Braunschweig); Moderation: Andreas Klepp

Lotta Klimmek
Emilie Knapheide

 

 

 

 

 

 

Paul Mărginean

 

 

 

 

 

 

Clara Sommer (Symbolbild)

 

 

 

 

 

Andreas Klepp

 

 

 

 

 

 

(Samstag, 7.10.2023, 15.30h – 17.00h)

Den Abschluss der Gramsci-Tage bildete wie gewohnt eine Podiumsdiskussion von politischen Akteur:innen der Region in Parteien, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Dieses Mal waren Mitglieder von politischen Jugendorganisationen eingeladen.

Andreas Klepp strukturierte die Diskussion an vier Fragestellungen entlang. Das Plenum beteiligte sich rege.

Wie ist die politische Stimmungen bei jungen Menschen?

Nach Lotta Klimmeks Erfahrung ordnen sich zwar viele junge Menschen links ein, eine gemeinsame Organisation sei aber wenig ausgeprägt. Es komme darauf an, ihnen niedrigschwellige Angebote zu machen. Paul Mărginean, der auch kommunalpolitisch für Die Linke und in der gewerkschaftlichen Jugendbildung aktiv ist, nimmt bei seinen Begegnungen verschiedene Stimmungen wahr. Heftige Krisen hätten psychologische Folgen zur Folge, die individuell unterschiedlich verarbeitet würden. Die – häufig bei FDP-Anhängern anzutreffende – individualistische Bearbeitungsweise sei eher mit einer Identifikation mit erfolgreichen Wirtschaftsführern verbunden. Entsprechend fehle es hier an einem Klassenbewusstsein. Aber auch kollektive Formen der Problembearbeitung seien vorhanden. Die größte Aufgabe bei der Arbeit gegen die bürgerliche Hegemonie bestehe darin, ein Klassenbewusstsein zu schaffen. In seinem Betrieb (einem kommunalen Unternehmen) habe die Ansprache von Problemen zu einem Anstieg des Organisationsgrades von 5% auf 60% geführt. Die FfF-Aktivist:innen, so Emilie Knapheide, hätten viel Energie in die politische Arbeit hineingegeben; viele inzwischen seien ausgebrannt. Die Arbeit konzentriere sich aktuell auf konkrete Projekte. In Braunschweig bringe sich FfF stark in kommunalpolitische Themen ein. Zu der ursprünglichen Fokussierung auf Klimathemen seien Themenfelder wie Antikapitalismus und Antirassismus hinzugekommen. Clara Sommer stellte die Jugendarbeit bei den Falken dar, die vorwiegend in Diskussionsrunden, Bildungsseminaren und Jugendfreizeiten bestehe. Hier würden demokratische Strukturen und Funktionsweisen erfahren.

Wie sprecht Ihr über Sozialismus?

Emilie Knapheide hält den Begriff „Postwachstumsgesellschaft“ für passender.  Ihrer Ansicht nach seien die Menschen leichter über konkrete Problemanlässe anzusprechen. Lotta Klimmek meint, der Begriff „Sozialismus“ wirke auf viele junge Menschen eher abschreckend. Sozialistische Werte hingegen würden von vielen geteilt. Daher sei es erfolgversprechender, konkret hier anzusetzen. Auch nach Paul Mărgineans Ansicht komme man mit abstrakten Ideologien nicht weit. Eher müssten die Menschen bei ihren alltäglichen Problemen im Betrieb abgeholt werden. Clara Sommer hält es für sinnvoll, den Sozialismus schon für Kinder menschlich erfahrbar zu machen, z.B. über gemeinsame Freizeiten im Zeltlager. Auf die Plenumsfrage, ob es auch rechte Jugendliche im Betrieb gebe, antwortete Paul Mărginean, dass die meisten jungen Menschen nicht ideologisch gefestigt und daher argumentativ erreichbar seien.

Wie arbeitet Ihr mit anderen Initiativen und Organisationen zusammen?

FfF sei mit anderen Organisationen im Klimanetzwerk verbunden, so Emilie Knapheide. Bei globalen Klimastreiks arbeite FfF z.B. mit ver.di zusammen. Die Kooperation sei allerdings auf das Thema Mobilität und Klima im Rahmen von Demos beschränkt. Für wünschenswert halte sie eine Zusammenarbeit auch mit anderen Gewerkschaften. Paul Mărginean machte auf Schwierigkeiten in der Bündnisarbeit aufgrund unterschiedlicher Interessenlagen aufmerksam. Wo aber ein Konsens bestehe, sollte man über Differenzen hinwegsehen. Für Lotta Klimmek ist Bündnisarbeit auch eine Ressourcenfrage. Diese müsse ressourcenschonend organisiert sein. Im studentischen Bereich gebe es aber zahlreiche Kooperationen.

Wie gestaltet Ihr politische Bildungsarbeit?

Politische Bildung sei für die ver.di-Jugend ein wichtiges Thema, so Paul Mărginean. Sie schaffe ein Fundament für eine gewerkschaftliche Grundhaltung und bilde eine politische Sensibilität heraus. Seminare gebe es zu politischen Themen und zur betrieblichen Interessenvertretung. Für Lotta Klimmek erfüllt die politische Bildung zwei Funktionen: die Sensibilisierung von Menschen und deren Empowering und Vernetzung. Die SDS-Seminare seien als „Lernen miteinander und voneinander“ organisiert. Es gebe aber auch Formate, um neue Gruppen anzusprechen. Emilie Knapheide erklärte, bei FfF bestehe die Bildungsarbeit vorwiegend in der Recherchearbeit zu politischen Forderungen und im Skill-Sharing bei überregionalen und bundesweiten Workshops. Auch gebe es eine gute Kooperation mit den Scientists for Future. Die Falken Braunschweig kämen wöchentlich zu „Theorie und Theke“ zusammen, um gemeinsam zu diskutieren, zu lernen und genossenschaftliches Miteinander zu erfahren. Dazu trügen auch Zusammenkünfte auf Konferenzen und in Bundesausschüssen bei, erläuterte Clara Sommer.

In der Schlussphase warf Emilie Knapheide die Frage auf, warum die Gewerkschaften ihre Macht nicht nutzten, um Konzerne in ihrer Produktpolitik und ihren Produktionsabläufen in Richtung Klimaverträglichkeit zu drängen. Hierzu erklärte Paul Mărginean, dass das Betriebsverfassungsgesetz zwar viele Vorteile für die Interessenvertretung der Beschäftigten festschreibe, aber eben auch Nachteile mit sich bringe, wie das Verbot von politischen Streiks. Die deutschen Gewerkschaften strebten nicht die Abschaffung des bürgerlichen Staates an. Die Arbeiterbewegung müsse sich seiner Ansicht nach aber in solch eine revolutionäre Richtung bewegen. Auf die Publikumsfrage, warum FfF „so wenig revolutionär“ sei, antwortete Emilie Knapheide, dass sie sich schwer vorstellen könne, wie eine Revolution praktisch umgesetzt werden sollte. Lotta Klimmek hingegen sieht Die Linke und den SDS als Teile der revolutionären Bewegung.