Gramsci Tage 2013, Exposés

23.10.2013

Polit Poetry Nr. 3: „Geh! Werk! Schafft!”

Die „Polit Poetry“-Lesung gehört aufgrund ihres großen Erfolgs mittlerweile zum festen Rahmenprogramm der „Braunschweiger Gramsci-Tage“. Auch in diesem Jahr laden sich der Literaturperformer Roland Kremer und „Braunschweigs Lesebühnen-Grande“ (BZ) Axel Klingenberg daher wieder zwei illustre Schriftsteller ein, die nicht nur etwas zu sagen haben, sondern dies auch in bester satirischer und literarischer Form tun. Der Poetry Slammer Kersten Flenter und der taz-Kolumnist Hartmut El Kurdi werden gemeinsam mit den Gastgebern an diesem Abend nicht nur das aktuelle Zeitgeschehen beleuchten und ihre neuesten polemischen und politischen Geschichten und Glossen präsentieren, sondern sich auch Gedanken darüber machen, wie man als einzelner auf die Gesellschaft Einfluss nehmen kann. Oder geht das alleine gar nicht? Und welchen Nutzen haben eigentlich die Gewerkschaften?

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Griechenlandabend

24.10.2013

„Das Regime der Troika in Griechenland“

Gregor Kritidis

Mit den Kreditverträgen vom Mai 2010 zwischen der Republik Griechenland einerseits, der EU und dem IWF andererseits, hat das griechische Parlament wesentliche Befugnisse eingebüßt. Alle politischen Entscheidungen von zentraler Bedeutung werden seitdem von den Vertretern der Gläubiger vorgegeben. Neben der Troika, bestehend aus Vertretern des IWF, der EZB und der EU-Kommission, wird der griechische Staat von der sogenannten Task-Force kontrolliert. Mithin handelt es sich um Gremien, deren staatsrechtliche Legitimation mehr als zweifelhaft ist und  die Griechenland quasi in ein Protektorat verwandelt haben.

Die von Brüssel verordnete Schock-Therapie hat zu einer allgemeinen ökonomischen und sozialen Krise geführt. Die Wirtschaft schrumpft im sechsten Jahr in Folge und die Arbeitslosigkeit erreicht immer neue Rekorde, während die Staatsschulden absolut und in Relation zum BIP weiter steigen. Im Zuge der Krise haben sich auch die bisherigen Formen politischer Repräsentation zersetzt. In zunehmenden Maße wird mit Mitteln regiert, die an die „steinernde Zeit“ der 1950er und 1960er Jahre erinnern. Das parlamentarische System ist nur noch wenig mehr als eine Atrappe, hinter der sich der autoritäre Maßnahmestaat formiert.

Gegen diese Zerstörung der sozialen Demokratie hat sich erheblicher Widerstand formiert, dessen langfristiger Erfolg oder Mißerfolg paradigmatisch für ganz Europa werden könnte

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Vorträge, 25.10.2013

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25.10.2013

Bernd Röttger
Warum linke Politik Sisyphosarbeit ist. Kapitalistischer Weltmarkt und politische Handlungskorridore. In memoriam Gilbert Ziebura

Jeder Versuch der Veränderung bestehender Macht- und Verteilungsverhältnisse in der bürgerlichen Gesellschaft stieß nicht nur auf den erbitterten Widerstand des jeweils herrschenden Blocks, sondern bekam es immer auch mit strukturellen Zwängen einer kapitalistisch formbestimmten Gesellschaft, den sog. ökonomischen „Sachzwängen“, zu tun. Dadurch wurden Handlungskorridore für Alternativen immer neu limitiert. Aus Gilbert Zieburas Analysen des Weltmarktes und seinen Analysen zur politischen Durchsetzung ökonomischer Zwänge lässt sich (auch) lernen, wie sich solche Einhegungen gesellschaftlicher Alternativen durchbrechen lassen.

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Seminare, 25.10.2013

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Seminar 1

 Bernd Röttger

Comeback der Gewerkschaften? Aber wie?
Von einem „Comeback“ oder einer „Revitalisierung“ der Gewerkschaften war seit den 1990er Jahren viel die Rede. Zu tatsächlich neuer Macht gelangten die Gewerkschaften aber erst in der Regulierung der Wirtschaftskrise seit 2008.  Die stärkere Konflikt- und Beteiligungsorientierung der Gewerkschaftspolitik schien wieder einem korporatistischen Krisenmanagement von Gewerkschaftsspitzen, Unternehmensverbänden und Staat zu weichen. Im Seminar werden – ausgehend von den Thesen Frank Deppes am Vortag – Bedingungen, Ansätze und Praxen alternativer Krisenpolitik von Belegschaften, betrieblichen Interessenvertretungen und Gewerkschaften diskutiert.

 

Seminar 3

 Jutta Meyer-Siebert/PetraZiegler

Gewerkschaftliche Kämpfe um Arbeitszeit – (k)ein Weg zu guter Arbeit und gutem Leben für alle?!
Im Kampf um kürzere Arbeitszeiten haben sich stets auch Gewerkschaftsfrauen engagiert und feministische Perspektiven eingebracht. Aber stellt Arbeitszeitverkürzung (AZV) auch die historische und bis heute fundamental wirksame Arbeitsteilung der Geschlechter infrage?
Im Workshop wollen wir reflektieren, wo das emanzipatorische Potential der Auseinandersetzung um AZV liegt, aber auch, wo es blinde Flecken gibt.
Welche emanzipatorischen Perspektiven  können wir entwickeln, um dem Ziel von gutem Leben und guter Arbeit für alle näher zu kommen? Als konkreten Ansatz möchten wir die Vier-in-Einem-Perspektive (Frigga Haug) vorstellen – als eine Utopie von Frauen für alle Menschen.

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Talkrunde, 26.10.2013

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Gute Arbeit – gutes Leben? Wie soll das gehen?

Zu diesem Thema diskutieren Petra Ziegler, Karin Zennig, Frank Deppe und Stephan Krull.

Hier stehen die Zusammenfassungen der einleitetenden Satements
der TeilnehmerInennen

Petra Ziegler
Brot oder Rosen? Rahmenbedingungen und Herausforderungen gewerkschaftlicher Frauen- und Gleichstellungsarbeit.
Petra Ziegler, Landesbezirksfrauensekretärin bei ver.di in Niedersachsen und Bremen, wirft einige Schlaglichter auf die aktuelle Situation von Frauen im Arbeitsmarkt. Vor diesem Hintergrund werden gegenwärtige Ziele, Positionen und Projekte der ver.di-Frauen vorgestellt. Chancen und Potentiale aber auch Grenzen und  Widersprüche der Arbeit von Gewerkschaftsfrauen können und sollen gern Gegenstand der gemeinsamen Diskussion werden.

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Stephan Krull
Arbeitszeitverkürzung
Die Verkürzung der Zeit für Lohnerwerbsarbeit gehört wieder auf die 
gewerkschaftliche und gesellschaftliche Tagesordnung. Anders sind große 
Probleme wie Massenerwerbslosigkeit, prekäre Beschäftigung, 
Geschlechtergerechtigkeit, die Beachtung der Wachstumsgrenzen und die 
Überwindung der strukturellen Schwäche der Gewerkschaften nicht sozial- 
und gesellschaftsgerecht zu lösen. Es bedarf zunächst eines neuen 
Arbeitszeitstandards von etwa 30 Stunden pro Woche für Europa. Diese 
„kurze Vollzeit“ ist nicht statisch, sondern nach persönlichen und 
beruflichen Situationen variierbar, muss aber im Durchschnitt pro Jahr 
erreicht werden. Zeit zum Leben, Lieben, Lachen und Kämpfen ist weit 
mehr als eine gewerkschaftliche Aufgabe – nötig ist eine 
gesellschaftliche Bewegung, um diese  Machtfrage (wer verfügt über 
wessen Zeit, über wessen Leben?) im Sinne der arbeitenden Menschen zu 
entscheiden.

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Kultur- und Informationsabend zur Situation in Griechenland, 26.10.2013

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„Sonne der Gerechtigkeit“ – Lieder von Mikis Theodorakis in deutscher Sprache

Konzert mit dem Trio QUIJOTE verbunden mit kleinen Reportagen der freien Journalistin Natalia Sakkatou  über die gegenwärtige Lage in Griechenland

 Trio   QUIJOTE   –   aus Chemnitz
Sabine Kühnrich (Gesang, Flöte),
Ludwig Streng (Klavier, Gesang),
Wolfram Hennig-Ruitz (Gitarre, Saxophon, Gesang)

Mehr Informationen über das Tro Quijote: Künstlerkollektiv

Lieder des weltbekannten griechischen Komponisten Mikis Theodorakis mit berührenden deutschen Nachdichtungen.

Wir werben für die Kultur des Landes, das als die Wiege der Demokratie gilt. Gleichzeitig stellen wir die gegenwärtige Politik der deutschen Regierung bezüglich Griechenland in Frage.

Einer der bekanntesten lebenden Griechen ist Mikis Theodorakis. Er ist Komponist, der ein riesiges Œuvre schuf: Opern, Ballett- und Kammermusik, Filmmusiken und vieles mehr. Doch bekannt wurde er mit seinen Liedern, in denen er Musikformen des einfachen Volkes mit hoher griechischer Lyrik verband, beginnend mit „Epitaphios“ von Jannis Ritsos. Hunderte Lieder folgten. Für die Griechen sind diese Lieder identitätsstiftend, in der Welt geben sie Griechenland bis heute einen Klang.

Im April 1941 erlebt Theodorakis als Jugendlicher den Einmarsch deutscher Besatzungstruppen in seiner Heimat. Es folgten massenhafte Verbrechen an der griechischen Bevölkerung und ein systematischer Raub aller Ressourcen, begleitet von Inflation und Hungersnot sowie dem Auspressen von Besatzungskosten und Zwangskrediten. In seiner Autobiografie „Die Wege des Erzengels“ (suhrkamp taschenbuch, 1998) schreibt Theodorakis über diese Zeit:

„In meiner Klasse gab es drei Kategorien von Schülern. Zur ersten gehörten die, die hungerten und in der Schule bewußtlos wurden, zur zweiten die, die hungerten, ohne in Ohnmacht zu fallen, zur dritten die, die wie noch nie in ihrem Leben aßen, weil ihre Väter Bauern, Schwarzhändler oder beides waren. Wir Hungernden der ersten und zweiten Kategorie beschlossen, diesen Zustand nicht länger zu dulden… Wir erklärten, daß wir keinen Vermögenden in den Klassenraum lassen würden, der nicht irgendwelche Lebensmittel an uns abgäbe… Wir verteilten die Lebensmittel unter die völlig abgemagerten Schüler. Bald setzten alle Klassen des Gymnasiums dieses System durch. Darum gab es in diesem Jahr noch keine Opfer.“

Und heute gibt es wieder griechische Kinder, die in der Schule vor Hunger in Ohnmacht fallen.

Gibt es nicht genügend zu Essen in Europa?

Kann es Ziel einer europäischen Politik sein, Hungernde und Obdachlose in Europa zu schaffen?

Europa ist nicht nur EU, Bankensystem, Wirtschaft und Profit.
Europa, das ist unser aller Haus und  wir, die Völker, die wir darin wohnen.

 

Natalia Sakkatou, Reportagen:

Griechenland ist im fünften Jahr der Krise, sämtliche Ressourcen eines Großteils der Bevölkerung sind aufgebraucht. Sie sind ihrer wirtschaftlichen Existenz beraubt, im Falle von Krankheit oder Invalidität komplett auf sich selbst gestellt und können nicht mehr für die Ernährung der Familie aufkommen. Hinzu kommt der Abbau demokratischer Strukturen. Die Beiträge der griechischen Journalistin sollen zum einen die aktuelle Situation beleuchten, aber auch einige historische Linien aufzeigen, die ursächlich mit der aktuellen politischen Situation in Griechenland zu tun haben.

Anfragen an QUIJOTE  bitte über:
Sabine Kühnrich
Tel/ Fax.: 0371-311771
Mobil: 0177-2231335
Mail: sabine.kuehnrich@gmx.de
Web: www.quijote.de

Anfragen an
Natalia Sakkatou:
Mobil: 01577/1790199
Mail: noland@netcologne.de

 Zusätzliche Informationen:

 Mikis Theodorakis

  • geboren am 29. Juli 1925 auf der Insel Chios
  • erste Kompositionen mit dreizehn
  • 1941-1944 im Widerstand gegen deutsche, italienische und bulgarische Besatzer
  • mit 18 Jahren zum ersten Mal gefoltert
  • während des Bürgerkrieges 1946-1949 schloss er sich den Linken an, wurde mehrfach verhaftet, auf die Todesinseln Ikaria und Makronissos verbannt und schwer gefoltert
  • Musikstudium in Athen bei Philoktitis Economidis und in Paris bei Eugène Bigot und Olivier Messiaen

 

Mikis Theodorakis ist als Komponist weltbekannt, sein Werk eine einzigartige Erscheinung in der jüngeren Musikgeschichte. Zudem suchen Produktivität und Popularität des Komponisten ihresgleichen. Mit kraftvollen Liederzyklen und der Vertonung großer Literatur hat der Grieche als musikalischer Botschafter seiner Heimat in allen Gesellschaftsschichten Freunde und Bewunderer gefunden. Theodorakis ist aber viel mehr als ein Mann der Musik: er ist eine der tragenden Säulen der modernen griechischen und europäischen Kultur.

Am 29. Juli 2013 wird Mikis Theodorakis
88 Jahre alt.

Aus einer Rezension zur Premiere des Programms:

Ellinki Gnomi – der Zeitung für die Griechen in Europa, schrieb in der Ausgabe Januar/ Februar 2008 über das Programm „Sonne der Gerechtigkeit“:

Erstaunlich, wie die deutschen Texte sowohl die Inhaltsschwere des Originals wiedergeben und sich dennoch in die Rhythmik der eigentlich auf die eigenwillige Diktion der griechischen Sprache passgenau geformten Musik einfügen. Genau das macht auch die Einmaligkeit und Eigenwilligkeit der QUIJOTE‘schen Theodorakis-Abende aus, mit denen sich die Gruppe bereits weit über Chemnitz hinaus bei Insidern einen Namen gemacht hat. Kunst, die an Grenzen nicht haltmacht und inzwischen auch vorgedrungen ist in die Heimat des Originalschaffens – nach Griechenland. Erneut legt QUIJOTE die Messlatte für deutsche Theodorakis-Interpretationen höher, gelingt ihnen wieder ein ebenso widersprüchliches, facettenreiches wie auch in sich stimmiges Programm, das aufhorchen und ein neues Kapitel griechisch-deutscher Verständigungskultur aufschlagen lässt.