Hegemonie und Alltagsverstand. Zur Aktualität von linkem und rechtem Populismus
4. und 5. November 2016
Vorträge, Diskussionen, Workshops, Literarisch-wissenschaftliche Montage und Jazz (Programm), (Flyer zum Herunterladen) und Plakat
Gewerkschaftshaus Braunschweig,
Wilhelmstraße 5, 38100 Braunschweig
„Dem Volk aufs Maul schauen ist etwas ganz anderes als dem Volk nach dem Mund reden.“ (Bertolt Brecht)
Populistische Strömungen haben Konjunktur. Einige sprechen von einer neuen „populistischen Situation“. Von links bis rechts wird die Krise gesellschaftlicher und politischer Repräsentation als Entstehung einer postdemokratischen oder patrimonialen Herrschaft gedeutet, die die Kluft zwischen Volk und Eliten vertieft. Gramsci scheint den Weg zu allen Formen populistischer Kritik und Strategie geebnet zu haben: Er sprach von einem „gesunden Kern“ des Alltagsverstands. Er zeigte, dass die untergeordneten Klassen ohne die Herausbildung eines „national-popularen Kollektivwillens“ nicht ins politische Leben treten können. Zugleich aber kritisierte er jede Anbiederung an die „primitiven“ Momente des Alltagsbewusstseins, da sie nur „langweilige und papageienhafte Phraseologie“ hervorbringt. Sie blockiert die Herausbildung einer „neuen Kultur“, die für die Befreiung der subalternen Klassen erforderlich ist.
„Brecht gebrauchen, ohne ihn zu kritisieren ist Verrat“ – so umriss Heiner Müller einen möglichen Umgang mit dem Werk des Klassikers der sozialistischen Weltliteratur. Auch das Werk Antonio Gramscis gehört inzwischen zum Repertoire der Klassiker. Aus ihm kann scheinbar beliebig abgegriffen werden. Seine in den Gefängnisheften entwickelten analytischen Begriffe verwandeln sich dabei oft in inhaltsleeres Geplapper: Hegemonie besitzen immer dann die anderen, wenn eigene Positionen nicht mehrheitsfähig oder durchsetzbar sind. Sie wird auf Meinungsführerschaft reduziert. Nur durch die Symbiose mit dem Volk scheint eine andere Hegemonie erreichbar. Nicht mehr die Überwindung der „primitiven Philosophie des Alltagsverstands“ (Gramsci) gilt als Ziel. Stattdessen wird das Alltagsbewusstsein zum gegebenen und scheinbar unveränderbaren Maßstab politischer Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit.
Gramsci gebrauchen, ohne ihn zu kritisieren ist Verrat. – In diesem Sinn nehmen die Braunschweiger Gramsci Tage ihr 10-jähriges Jubiläum zum Anlass, Kategorien und Begriffe der praktischen Philosophie Gramscis historisch-kritisch zu hinterfragen und mit aktuellen Entwicklungen zu konfrontieren. Können sich gegenwärtige populistische Befunde und Strategien tatsächlich auf Gramscis Konzepte des Alltagsverstands und der Hegemonie berufen? Befinden wir uns wirklich in einer „populistischen Situation“, die nur durch einen linken Populismus beantwortet werden kann, um neo-faschistische Entwicklungen abzuwenden? Lassen sich heute Formen eines autoritären Populismus von popular-demokratischen Ausformungen unterscheiden?
Veranstalter: Braunschweiger Initiative für eine andere Politik (BIAP) in Kooperation mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund, Region SüdOstNiedersachsen, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Bezirksverband Braunschweig, und der Rosa Luxemburg Stiftung Niedersachsen e.V.
Anmeldung erbeten: gramsci-tage@biap-braunschweig.de
oder: BIAP c/o Norbert Kueß, Roonstraße 17, 38102 Braunschweig
Tagungsbeitrag: 10 Euro / ermäßigt 5 Euro (inkl. Speisen und Getränken)